„Wie teuer ist ein ungutes Gefühl?“ So betitelte eine Berliner Tageszeitung im Oktober 2008 einen Artikel und brachte das Wesen des merkantilen Minderwertes auf den Punkt. Ein Gefühl kann einen Preis haben, aber es gibt nicht die eine Formel oder den einen Algorithmus, um diesen Preis zu berechnen. Gerade diese „Unberechenbarkeit“ macht es technischen Sachverständigen so schwer, mit ihm umzugehen bzw. seine Existenz überhaupt anzuerkennen.
Die Ermittlung des merkantilen Minderwertes fällt aus gutem Grund nicht in das Sachgebiet der Gebäudeschadenermittler.
Der merkantile Minderwert ist selbst in der Fachwelt weitgehend unbekannt. (Technische) Bausachverständige sehen häufig, jedoch zu Unrecht, nach Mangelbeseitigung und dazu erstellter Dokumentation keinen merkantilen Minderwert zusätzlich zu den fachlich-technisch objektiv hergeleiteten Mangelbeseitigungskosten.
Das ist um so erstaunlicher, als es sich beim merkantilen Minderwert weder um ein neues Phänomen, noch um eine deutsche Eigenheit handelt. Bereits das klassische römische Recht kannte den Ersatz von Sachschaden, Vermögensschäden, Minderwerte und entgangene Gewinne, gegenwärtige und zukünftige. In zahlreichen auf das römische Recht zurückgehenden europäischen Rechtsordnungen ist der Anspruch auf entsprechende Wertminderung bekannt, wie etwa in Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Luxemburg, Mazedonien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn und Zypern. Auch in den Vereinigten Staaten ist der Anspruch auf Erstattung des merkantilen Minderwerts bekannt. Allerdings gelten in den einzelnen Ländern jeweils unterschiedliche Regularien.
Grundsätzlich kann der merkantile Minderwert an allen Sachen und Gegenständen auftreten, die gehandelt werden, einen (unbestimmten) Wert haben und auch in reparierter Form einen Markt haben, seien es Immobilien, Kunstwerke, Antiquitäten, Maschinen, Kraftfahrzeuge.
Am bekanntesten ist der merkantile Minderwert, wenn auch nicht unter diesem Namen bei Kraftfahrzeugen. Jeder weiß, oder glaubt zu wissen, dass ein Unfallfahrzeug deutlich weniger Wert haben als unfallfreie, aber sonst identische Fahrzeuge.
Hier soll es hauptsächlich um den Bereich Immobilien gehen.
In Deutschland werden die Regeln für die Bewertung von Immobilien in der ImmoWertV beschrieben. Diese wird in kurzen Abständen immer wieder überarbeitet und angepasst. Dabei ist es wichtig, darauf zu achten, dass zur Bewertung zu einem bestimmten Stichtag nur die Version der ImmoWertV angewendet werden darf, die zu diesem Termin galt. Es werden grundsätzlich drei verschiedene Arten der Wertermittlung unterschieden, die sogenannten „normierten Verfahren“:
- Das Sachwertverfahren:
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- Hier wird, je nach Ausstattung und Alter des Objektes anhand des ermittelten Herstellungsaufwands der Immobilienwert ermittelt.
- Das Ertragswertverfahren:
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- Hier wird ein möglicher Ertrag bei Vermietung des Objektes der Immobilienwert ermittelt.
- Das Vergleichswertverfahren:
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- Hier werden die Verkaufspreise ähnlicher Objekte in ähnlicher Situation zum Vergleich herangezogen.
Grundsätzlich werden in all diesen Verfahren der Immobilienwert in einem zweistufigen Verfahren (= Dichotomie) ermittelt.
- In einem ersten Schritt werden der „vorläufige“ Sach-, Ertrags- oder Vergleichswert streng modellkonform unter Außerachtlassung von Besonderheiten der Immobilie und der Marktsituation (Marktanpassung) ermittelt.
- In einem zweiten Schritt erst werden die sogenannten „besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale“ erfasst und als Korrekturfaktoren wertmindernd oder wertsteigernd eingearbeitet. Hierbei ist besondere Sorgfalt darauf zu verwenden, zu beachten, dass keine Merkmale doppelt berücksichtigt oder übersehen werden. – Der merkantile Minderwert gehört in die Kategorie der „Besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale.
Nach BGH, Urteil vom 25.02.1953 – II ZR 172/52 – ist der merkantile Minderwert nicht durch einen technischen Sachverständigen, sondern durch einen Sachverständigen für den Häusermarkt zu schätzen – nach heutiger Rechtslage ist dies ein „Sachverständiger für die Wertermittlung bebauter und unbebauter Grundstücke“. Ferner ist richtig festgestellt, dass dieser Wert „zu schätzen“ sei. Somit sollten auch nur auf diesem Teilgebiet erfahrene „Sachverständige für Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken“ mit seiner Ermittlung betraut werden.
Nach BGH, Urteil vom 02.04.1981 – III ZR 186/79 – verfügt ein öffentlich-rechtlicher Gutachterausschuss (der Kommune oder des Landkreises) nicht über besondere Erkenntnisse oder spezifische Sachkunde auf dem Gebiet der Bewertung des merkantilen Minderwertes von Grundstücken.
Das Institut für Sachverständigenwesen e. V. in Köln veröffentlicht auf seiner Web-Site alle aktuellen, bundesweit geltenden „Fachlichen Bestellungsvoraussetzungen“ für Sachverständige mit den jeweiligen Fachgremien.
Für das Sachgebiet „Schäden an Gebäuden“ wird im Normalfall der Nachweis eines abgeschlossenen Studiums der Fachrichtung Architektur oder Bauingenieurwesen an einer Technischen Universität (Hochschule) oder Fachhochschule verlangt. Besondere Sachkunde ist auf folgenden Gebieten nachzuweisen:
- Bauphysik,
- Bauchemie,
- Baukunststoffe,
- Baukonstruktion,
- Tragwerkskenntnisse,
- Grundbau, Bodenmechanik, Geologie, Hydrologie,
- Baubetrieb und Maschinenkunde,
- Ausschreibung, Kostenermittlung,
- Untersuchungsverfahren des Sachverständigen,
- Regelwerke,
- Beurteilungsverfahren,
- Allgemeine Rechtskenntnisse Sachverständigentätigkeit.
Ganz anders sehen die Voraussetzungen bei Sachverständigen für die „Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken“ aus. Neben einem erfolgreich abgeschlossenen Studium an einer Hochschule nach dem Hochschulrahmengesetz einer einschlägigen Fachrichtung, z. B.
- der Architektur,
- des Bauingenieurwesens,
- der Immobilienwirtschaft,
- der Geodäsie,
- der Geographie,
- der Wirtschaftswissenschaften,
- der Rechtswissenschaften,
- der Agrarwissenschaften
wird eine mindestens fünfjährige immobilienbezogene praktische Tätigkeit, davon drei Jahre in der Immobilienbewertung innerhalb der letzten acht Jahre vor Antragstellung verlangt.
Alternativ ist auch eine sachgebietsbezogene abgeschlossene Berufsausbildung mit Bezug zur Immobilienwirtschaft z. B.
- im Architektur-, Bau-, Vermessungs- und Liegenschaftswesen,
- in der Immobilienwirtschaft,
- in der Kredit- und Versicherungswirtschaft,
- kaufmännische Ausbildungen
in Verbindung mit einer mindestens achtjährigen immobilienbezogenen praktischen Tätigkeit, davon 5 Jahre in der Immobilienbewertung innerhalb der letzten zehn Jahre vor Antragstellung möglich.
Und tatsächlich, als der Verfasser seine Ausbildung zum SV für die „Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken“ absolvierte, waren rund dreißig Teilnehmer im Lehrgang:
1 Immobilienmakler, 1 Banker, 1 Dipl.-Baukaufmann, 2 Dipl.-Architekten, 2 Dipl.- Bauingenieure (beide übrigens auch Sachverständige für „Schäden an Gebäuden“) und der übergroße Rest bestand aus kaufmännischen Angestellten bei Versicherungen oder Immobilienverwaltungen. Dass die große Mehrheit dieser Teilnehmer bei technischen Fragestellungen überfordert war, teilweise schon dabei, die Problematik überhaupt wahrzunehmen überrascht dann nicht so sehr.
Andererseits fehlt bei der Ausbildung des technischen Sachverständigen jeglicher Hinweis auf die Besonderheiten des Immobilienmarktes. Manchmal ist das Einzige, was die Sachverständigen der beiden Sachgebiete miteinander verbindet, die Adresse des betroffenen Grundstücks.
In Deutschland gibt es keine Legaldefinition zum merkantilen Minderwert. Das heißt. Der Begriff „merkantiler Minderwert“ wird in keinem Gesetz explizit genannt und erläutert. Trotzdem ist er ein fester juristischer Begriff und der Versuch, aus persönlichen Befindlichkeiten oder aus anderen Gründen stattdessen den Begriff „merkantile Wertminderung“ o. ä. etablieren zu wollen, ist weder hilfreich noch dem sinnvoll im Sinne einer eindeutigen Sprachregelung. Wenngleich (zumindest in Berlin) sich bei Unfallfahrzeugen umgangssprachlich der Begriff „Wertverlust“ etabliert hat.
Der Bundesgerichtshof (BGH ZR 32/66) hat dieses Phänomen bereits im Jahr 1968 wie folgt definiert:
„Eine Minderung des Verkehrswertes kann auch bestehen bleiben, wenn die wertmindernden Schäden in technisch einwandfreier Weise beseitigt sind. Das gilt vor allem dann, wenn im Verkehr befürchtet wird, die Schäden könnten sich doch irgendwie nachteilig auswirken, und deshalb Sachen, bei denen solche Schäden aufgetreten waren, niedriger bewertet werden als unbeschädigt gebliebene, selbst wenn im Einzelfall die Befürchtung des Folgeschadens in Wahrheit unbegründet ist.“
Der BGH hat im Urteil vom 08.12.1977 - VII ZR 60176 den merkantilen Minderwert weiter präzisiert:
„Der merkantile Minderwert liegt in der Minderung des Verkaufswerts einer Sache, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb besteht“.
Dies führt direkt zu § 194 BauGB (Baugesetzbuch):
„Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“
Spätestens seit dem BGH-Urteil vom 1977 ist der „merkantile Minderwert“ als „eingeführter Rechtsbegriff“ anzusehen und es ist weder angebracht, noch ein Zeichen „besonderen Sachverstands“, ihn beispielsweise in eine „merkantile Wertminderung“ umzubenennen oder ihn gar komplett zu negieren.
Nach Urteil des BGH liegt ein merkantiler Minderwert also dann vor, wenn trotz vollständiger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eine verringerte Verwertbarkeit gegeben ist, weil die maßgeblichen Verkehrskreise vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden ein im Vergleich zu einem schadenfrei gebliebenen Objekt geringeres Vertrauen in die Qualität des Gebäudes haben und somit eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb hegen, also ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse anzunehmen sind. Voraussetzung sei allerdings, dass es sich um ein marktgängiges Bauwerk handele.
Unausgesprochen geht der BGH dabei von zwei Annahmen aus, die keinesfalls selbstverständlich sind. Einmal scheint der BGH der Ansicht zu sein, es gäbe mängelfreie und vollkommene Bauwerke, außerdem scheint er die „maßgeblichen Verkehrskreise“ als homogene Gruppe anzusehen.
Allein schon der Grundgedanke der vollständigen und ordnungsgemäßen Instandsetzung geht weit an der Lebenswirklichkeit vorbei. Er impliziert nämlich, wir hätten eine perfekte Welt, in der es perfekte Handwerker vermögen, mit perfekten Materialien perfekte Planungen in perfekte Werke umzusetzen.
Tatsächlich aber ist die Welt, in der wir leben nicht vollkommen. Die Pläne, die wir erstellen, sind nicht vollkommen. Die Materialien, mit denen wir unsere Pläne realisieren wollen, sind nicht vollkommen. Die Verarbeiter dieser Materialien sind nicht vollkommen. Die Aufseher und Kontrolleure sind nicht vollkommen. Wie kann jemand ernsthaft davon ausgehen, dass daraus jemals ein vollkommenes (Bau-)Werk entstehen könnte?
Wir alle wissen doch, dass es kein vollkommenes (Bau-)Werk gibt. Gäbe es eines, so bräuchten wir keine normativen Festlegungen zu Toleranzen, hätten wir keine Diskussionen über hinnehmbare oder eben nicht mehr hinnehmbare Abweichungen.
Und tatsächlich ist es nun auch bei den betrachteten Objekten zu Mängeln oder gar zu Schäden gekommen, die nachgebessert, repariert oder sogar saniert werden mussten. Teilweise ausgeführt von denselben Handwerkern und mit den gleichen Materialien, die bereits bei der Ersterstellung gefehlt haben. Und plötzlich soll das Ergebnis stets und jedes Mal vollkommen sein? Woher kommt dieser Optimismus?
Auch die „maßgeblichen Verkehrskreise“ könnten unterschiedlicher kaum sein. Einmal handeln reale Personen, einmal trifft man auf institutionelle Investoren. Und selbst diese Gruppen unterteilen sich noch weiter. Hier soll es bei nur einer Untergliederung bleiben:
Bei den realen Personen sind zunächst diejenigen zu finden, die für sich und ihre Familie ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung zur Selbstnutzung suchen. Erfahrungsgemäß kann bei diesem Personenkreis eine besondere Scheu vor dem Risiko angenommen werden. Im Zweifel wird von dem Angebot Abstand genommen. Man möchte daheim Ruhe haben und sich wohlfühlen.
Die zweite Gruppe sucht nach einem Renditeobjekt zur eigenen Altersabsicherung. Dabei möchte man natürlich vermeiden, an ein Objekt zu geraten, dass später den Mietern Gründe für eine Mietminderung und den damit verbundenen Ärger liefern kann. Es sei denn, durch einen deutlichen Preisabschlag beim Erwerb (= merkantilen Minderwert) wird das Risiko als erträglich eingeschätzt.
Bei den institutionellen Investoren finden sich zunächst Gesellschaften und Genossenschaften, deren Geschäftsmodell es ist, mit der Errichtung und Vermietung von Wohnungen Geld zu verdienen. Auch hier ist die Mieterzufriedenheit ein wichtiges Thema. Die Besonderheit dieser Gruppe ist darin zu sehen, dass hier neben juristischer und kaufmännischer Kompetenz auch technisches Fachwissen verfügbar ist.
Einen immer größeren Anteil haben aber reine Finanzinvestoren, denen völlig egal ist, womit sie ihr Geld vermehren. Waren es eben noch Schiffscontainer (oder waren es doch Containerschiffe?), jetzt sind es eben Immobilien, das sogenannte „Betongold“ und demnächst vielleicht der Weltraumtourismus. Hier treffen fehlende Sachkompetenz mit offensivem Gewinnstreben zusammen. Häufige Mieterwechsel werden billigend in Kauf genommen, bieten sie doch nach geltendem Recht jedes Mal Gelegenheit, die Miete nicht unbeträchtlich anzuheben, was schließlich den Ertragswert der Liegenschaft deutlich erhöht.
Jeder dieser Marktteilnehmer verhält sich anders, aber bezogen auf seine Verhältnisse logisch, konsequent und somit nachvollziehbar.
Jetzt ist es an der Zeit, die Schadenereignisse zu differenzieren. Der Ansatz, dass der merkantile Minderwert im Laufe der Jahre abnimmt und schließlich ganz untergeht, setzt voraus, einen Schaden zu haben, bei dem die Zeit alle Zweifel zerstreut oder aber das „Schadenereignis in Vergessenheit gerät“. Hierbei werden die „tickenden Zeitbomben“ komplett ausgeblendet. Mindestens ebenso bedeutsam wie die Art des Schadens ist die Ursache seines Entstehens für seinen Einfluss auf den merkantilen Minderwert. Hier ist zu unterscheiden, ob es sich um die Folgen einer objektbezogenen Schlechtleistung im Bauprozess oder um die Folgen einer schicksalhaften Außeneinwirkung handelt.
Fragt man einen SV für Bauschäden, so erhält man meist nur Antworten, die zur ersten Kategorie gehören, wie:
- Hausschwamm und Hausbock,
- Trockenfäule,
- Feuchtigkeitsprobleme, hauptsächlich im Kellerbereich,
- Schlechte Baumaterialien und Bauausführung,
- Baugrund und Baugrube,
- Brandschaden durch mangelhafte Bauausführung,
- Löschwasserschaden nach Brand,
- Rohbau,
- Frostschäden,
- Drückendes Wasser,
- Wände,
- Bauarbeiten auf Nachbargrundstücken.
Beispiele aus der zweiten Kategorie können sein:
- U-Bahnbau direkt neben oder gar unter dem betroffenen Grundstück,
- Starkstromleitung über oder neben dem betroffenen Grundstück,
- Wiederinbetriebnahme einer stillgelegten Bahnstrecke neben dem betroffenen Grundstück,
- Altlasten durch vormalige industrielle Nutzung des betroffenen Grundstücks,
- Altlasten aus ehemaliger Mülldeponie auf dem betroffenen Grundstück,
- Altlasten aus Kampfmitteln und -rückstände,
- Altlasten durch vormalige Nutzung als Nuklearzwischenlager des betroffenen Grundstücks,
- Altlasten aus vormaliger landwirtschaftlicher Nutzung des betroffenen Grundstücks,
- Überschwemmungsgefahr des betroffenen Grundstücks durch Starkregen,
- Hangrutschungsgefahr des betroffenen Grundstücks nach Starkregen,
- „Bergschaden“ als Bergbaufolgeschäden,
- Verlauf einer Wasserader unter dem betroffenen Grundstück.
In einer dritten Kategorie kommen Risiken zusammen, die aktuell nicht vollständig eingeschätzt werden können, etwa, weil die Forschungen noch nicht zu Erkenntnissen geführt haben, oder weil eventuelle Entscheidungen derzeit zwar diskutiert werden, der Einfluss auf das betroffene Grundstück noch nicht sicher eingeschätzt werden können:
- In der Region ist ein neuer Flughafen in der Planung, es kann noch nicht abgeschätzt werden, wie die Ein- und Abflugkorridore verlaufen werden, die Lärm- und die Abgasbelästigung ist unsicher.
- In der Nachbarschaft soll ein Wasserwerk stillgelegt werden. Im weiteren Umkreis wird der Grundwasserspiegel wird auf ungeahnte Höhen ansteigen.
-
- ist das Gebäude auch dann noch standsicher?
- Ist der Keller auch weiterhin trocken?
- Es stehen Mobilfunkmasten in der Nähe.
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- Ist die Strahlung gesundheitsgefährdend?
- Ein Umspannwerk steht unmittelbar auf dem Nachbargrundstück.
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- Erhöht sich die Blitzeinschlagsgefahr für das betroffene Grundstück?
- Besteht Gefahr durch „Elektrosmog“?
Eher in Richtung „Kopfkino“ gehen weitere mögliche Begründungen für einen merkantilen Minderwert, hier in einer eigenen, der vierten Kategorie zusammengestellt:
- Das betroffene Grundstück stand im Mittelpunkt eines landesweit bekannt gewordenen Korruptionsskandals, sei es auf politischer oder wirtschaftlicher Ebene,
- Spektakuläre Pleite eines früheren Investors mit diesem Objekt,
- Das betroffene Grundstück wurde Opfer einer Brandstiftung,
- Das betroffene Grundstück wurde ein „berühmtes Selbstmörderhaus“,
- Das betroffene Grundstück wurde Tatort Aufsehen erregender Gewaltverbrechen,
- Der verstorbene Vorbesitzer lag wochenlang in dem Haus, bevor seine Leiche gefunden wurde,
- Das betroffene Grundstück ist Teil eines aufgegebenen Friedhofs,
- In dem betroffenen Objekt soll es spuken.
Wichtig: Keine der Kategorien ist vollständig und umfassend. Die Beispiele sollen nur dazu dienen, eventuell weitere vorgebrachte Einwände einordnen zu können.
Bei der zweiten und bei der dritten Kategorie könnte der Sachverständige zu der Ansicht kommen, diese Gründe fielen in die Kategorie für eine Minderung nach § 8 (Berücksichtigung der allgemeinen und besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale) ImmoWertV in der Fassung vom 3. November 2017 vor. Hier ist mit besonderer Sorgfalt darauf zu achten, dass die vorgebrachten Einschränkungen nicht doppelt berücksichtigt werden. Schnell kann sich hier der SV schadenersatzpflichtig machen.
(1) Im Rahmen der Wertermittlung sind Grundstücksmerkmale zu berücksichtigen, denen der Grundstücksmarkt einen Werteinfluss beimisst.
(2) Allgemeine Grundstücksmerkmale sind wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale, die hinsichtlich Art und Umfang auf dem jeweiligen Grundstücksmarkt regelmäßig auftreten. Ihr Werteinfluss wird bei der Ermittlung des vorläufigen Verfahrenswerts berücksichtigt.
(3) Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale sind wertbeeinflussende Grundstücks-merkmale, die nach Art oder Umfang erheblich von dem auf dem jeweiligen Grundstücksmarkt Üblichen oder erheblich von den zugrunde gelegten Modellen oder Modellansätzen abweichen.
Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale können insbesondere vorliegen bei
1. besonderen Ertragsverhältnissen,
2. Baumängeln und Bauschäden,
3. baulichen Anlagen, die nicht mehr wirtschaftlich nutzbar sind (Liquidationsobjekte) und zur alsbaldigen Freilegung anstehen,
4. Bodenverunreinigungen,
5. Bodenschätzen sowie
6. grundstücksbezogenen Rechten und Belastungen.
Die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale werden, wenn sie nicht bereits anderweitig berücksichtigt worden sind, erst bei der Ermittlung der Verfahrenswerte insbesondere durch marktübliche Zu- oder Abschläge berücksichtigt. Bei paralleler Durchführung mehrerer Wertermittlungsverfahren sind die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale, soweit möglich, in allen Verfahren identisch anzusetzen).
Die Formulierung “marktübliche Zu- oder Abschläge“ im letzten Satz schlägt dann doch die Brücke zum merkantilen Minderwert, der sich ja am subjektiven Verhalten potenzieller Käufer und damit an bloßen Verdachtsmomenten bzw. deren Bauchgefühl bemisst. Die Höhe merkantiler Minderwerte kann die Mangelbeseitigungskosten erreichen oder übersteigen beziehungsweise den Grundstückswert erheblich mindern. Der Umfang bzw. die Höhe des merkantilen Minderwertes ist in der Regel durch Schätzung zu bestimmen (§ 287 ZPO).
Der BGH urteilte am 25.02.1953 (AZ II ZR 172/52) der merkantile Minderwert sei nicht durch einen technischen Sachverständigen, sondern durch einen „Sachverständigen für den Häusermarkt“ zu schätzen – nach heutiger Rechtslage ist dies ein Sachverständiger für die Bewertung bebauter und unbebauter Grundstücke. Am 02.04.1981 entschied der BGH – III ZR 186/79, ein öffentlich-rechtlicher Gutachterausschuss (der Kommune oder des Landkreises) verfüge nicht über besondere Erkenntnisse oder spezifische Sachkunde auf dem Gebiet der Bewertung des merkantilen Minderwertes von Grundstücken. Angeraten sei allerdings die vorherige Tätigkeit eines Sachverständigen für Bauschäden („Schäden an Gebäuden“), Altlasten oder/und Bergschäden u.ä., da dieser die Wesentlichkeit von Mängeln und daneben die Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten als auch zu berücksichtigende Ansätze für die Bewertung merkantiler Minderwerte einschätzt.
In der ersten Kategorie liegen die Ansätze für das Vorliegen merkantiler Minderwerte bei wesentlichen Mängeln der Errichtung der Hauskonstruktion. Das Vorliegen solcher wesentlichen Mängel muss regelmäßig zeitlich und inhaltlich der Bewertung merkantiler Minderwerte vorangehen – eine sachverständige Einschätzung des Vorliegens solcher Mängel und der geschätzten Höhe deren Mangelbeseitigung inklusive eventuell (anderer auch noch daneben möglicher) technischer Minderwerte muss also schon vorliegen, bevor ein merkantiler Minderwert geschätzt werden kann.
Oftmals kann man hier die Mängel oder Schäden dem Tun oder Unterlassen eines konkreten Unternehmens oder gar einer konkreten Person zuordnen, die man dann möglicherweise noch in Regress nehmen kann. Auch das sollte festgehalten werden.
Bei Unterlassung gebotener konkreter Hinweise auf merkantile Minderwerte kann hier der Sachverständige selbst in die Haftung geraten – davor schützt eine allgemeine Angstklausel nicht.
Ansatz für die Betrachtung merkantiler Minderwerte ist zunächst der nominelle Verkehrswert des gesamten Objektes mit Grundstück und auferrichtetem Gebäude – also nicht nur das Gebäude bei Gebäudemängeln und auch nicht nur das Grundstück bei Grundstücksmängeln und auch nicht nur die Höhe voraussichtlicher Mangelbeseitigungskosten.
Der mit Schätzung merkantiler Minderwerte beauftragte Sachverständige muss das Gutachten des technischen Sachverständigen als Grundlage seiner Bewertung ansehen und angeben. Er muss allerdings auch auf für ihn als Sachverständigen zur Bewertung von Grundstücken erkennbare (nicht nur: erkannte) Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten des Untersuchungsgegenstandes und der daraus abzuleitenden Bewertung hinweisen.
Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 04.02.2000 – 7 U 67/98 - wichtige Beurteilungskriterien für merkantile Immobilienminderwerte festgelegt:
- Art des Gebäudes,
- Gebäudealter,
- Erhaltungszustand,
- Art der Schadensbeseitigung untergliedert nach herkömmlichen Verfahren, Hebungen/ Senkungen, Sonderverfahren, Einbau von Ausgleichselementen,
- Marktlage bzw. Marktgängigkeit/Verkäuflichkeit für das betreffende Objekt untergliedert nach gut, normal und schlecht und
- Relation von Reparaturaufwand und Gebäudewert untergliedert nach letztem Jahr, letzte drei Jahre und größer drei Jahre sowie
- fortwirkende Schadenentstehung in welcher Art und Weise und Höhe zu erwarten oder nicht.
Zur Schätzung der Höhe der merkantilen Minderwerte stehen sehr unterschiedliche Ansätze zur Verfügung:
- Markterfahrungsdaten des gleichen Objektes aus Verkäufen in der Vergangenheit mit oder ohne Kenntnis der Mängel,
- Markterfahrungsdaten aus der Region,
- Markterfahrungsdaten aus eigenen Marktbeobachtungen,
- Marktbefragungen bei Immobilienmaklern, Veräußerern und Erwerbern von einschlägigen vergleichbaren Objekten,
- Umfragen unter geeigneten Sachverständigen (=Expertenbefragung),
- über das Vergleichswertverfahren,
- über Degression des merkantilen Minderwertes infolge Zeitablauf/Zeitverlauf,
- über das Residualwertverfahren (Investitionsmodell),
- die Zielbaumverfahren für Minderung,
- fiktive Sanierungskosten,
- verkürzte Restnutzungsdauer (umstritten).
Das OLG Schleswig hält laut Beschluss vom 07.10.1999 – 16 W 190/99 – für die Bestimmung eines merkantilen Minderwertes auch ein selbständiges gerichtliches Beweisverfahren für zulässig.
Das Brandenburgischem OLG urteilt am 28.08.2008 – 5 U 28/07 – dass für das Vorliegen merkantiler Minderwerte hinreichende Anknüpfungspunkte in Form zu beschreibender Mängelsymptome oder/und festgestellte Mängel notwendiger Weise vorhanden sein müssen, die dann Grundlage für eine Sachverständigenbewertung merkantiler Minderwerte sind. Nur bei Fehlen solcher Anknüpfungspunkte ist dem Grunde nach ein Anspruch auf merkantilen Minderwert abzulehnen.
Beim merkantilen Minderwert steht eine marktorientierte Betrachtung im Vordergrund. Im Schadensersatzrecht versteht die Rechtsprechung unter dem merkantilen Minderwert die Minderung des Marktwertes einer (zunächst beschädigten und dann reparierten) Sache, die im Verkehr trotz ordnungsgemäßer Instandsetzung wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden bzw. Mängel eintritt. Der merkantile Minderwert stellt anerkanntermaßen einen ersatzfähigen Schaden dar.
Somit muss sich die Ermittlung des Minderwerts eben auch am Immobilienmarkt orientieren. Reine technokratische, formelmäßige Berechnungsverfahren mögen verbreitet und angenehm in der Anwendung sein, zielführend sind sie (mangels Marktorientierung) allerdings nicht.
Als einfachstes Verfahren, die Höhe des merkantilen Minderwerts zu „ermitteln“ hat sich folgende „Berechnungsweise“ weit verbreitet:
Der merkantile Minderwert betrage bei einer Schadenssumme in Höhe von
- <10% des mangelfreien Gebäudewerts -> kein merkantiler Minderwert,
- 1/3 des mangelfreien Gebäudewerts -> 5% des Gebäudewerts,
- 2/3 des mangelfreien Gebäudewerts -> 6% des Gebäudewerts,
- 3/3 des mangelfreien Gebäudewerts -> 7% des Gebäudewerts,
nach Schadensbeseitigung. Die Wertminderung baut sich mit fortschreitender Zeit ab. Diese Erfahrungssätze sind nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit entsprechend der Schadensart zu modifizieren und vermindern sich (ausgehend vom Zeitpunkt der Schadensbeseitigung) mit fortschreitender Zeit. Allgemein schwindet die Wertminderung über einen Zeitraum von regelmäßig rd. 15 Jahren gegen null, d.h. nach 15 Jahren kann ein merkantiler Minderwert ausgeschlossen werden. Der Einfluss schwindet allerdings nicht linear, sondern zunächst eher geringfügig und mit fortschreitender Zeit zunehmend, d.h. parabelförmig. Prozentualer merkantiler Minderwert in Abhängigkeit von der Zeit:
Merkantiler Minderwert [%] = 100 – (100 x Jahre/Gesamtdauer)2/100
- „Jahre“ => Zeitraum seit Schadensbeseitigung
- „Gesamtdauer“ => Zeitraum, über den sich der merkantile Minderwert komplett abbaut
Zwar hat der BGH im Urteil vom 13.11.1970 – V ZR 6/70 – dieses Vorgehen akzeptiert, jedoch fehlt jeglicher Marktbezug in diesem Verfahren. Der unbestreitbare Vorteil dieses Verfahrens ist seine einfache (beinahe mechanisierte) Anwendbarkeit. Das Ergebnis ist allerdings mehr als zweifelhaft. Es fehlt auch jeglicher Nachweis, wie der Ermittler zu seinen Ansätzen gekommen sein könnte.
Immer häufiger machen technische Sachverständige der Öffentlichkeit mehr oder weniger aufwendige Vorschläge, wie denn nun der merkantile Minderwert „sachverständig berechnet“ werden könne. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich hierbei zumeist um eine weitere Version des „Zielbaumverfahren nach Aurnhammer“. Um den technischen Minderwert eines mangelhaften Bauwerks neutral, nachvollziehbar und vor allem nachprüfbar zu berechnen, ist eine differenzierte Analyse der negativen Abweichungen der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit der mangelhaften Bauleistungen durchzuführen, und zwar für jeden einzelnen der oben beispielhaft genannten Teilwerte (Gebrauchswert, Funktionswert und so weiter). Die Hauptaufgabe eines Sachverständigen besteht dabei in der möglichst objektiven Definition der Soll-Beschaffenheit für die Teilwerte (gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt).
Um die Genauigkeit des Ergebnisses der Wertminderungsberechnung zu erhöhen, muss der Gesamtwert des Objektes in mehreren Stufen so fein in Teilwerte zerlegt werden, dass die Größe der negativen Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Beschaffenheit der einzelnen Teilwerte so eindeutig wie möglich bewertet werden kann. Eine - insbesondere auch von Gerichten – anerkannte Berechnungsmethode für technische Wertminderungen. Das Verfahren basiert auf einem für den Laien vielleicht beeindruckend erscheinenden Rechenvorgang, den er sogar nachrechnen und somit „überprüfen“ kann, der aber tatsächlich nur eine Ansammlung von Schätzungen ist. Der mehrstufige Rechengang und die herangezogenen Annahmen täuschen eine nicht vorhandene Präzision vor und lenken so von der Ratlosigkeit des Sachverständigen ab. Das ist absolut willkürlich. Der SV wählt willkürlich eine willkürliche Anzahl von Kriterien aus, die er willkürlich bewertet. Das kann gar nicht anders sein, da es keine Referenzpreise gibt. Dieser Nachteil wird gerne durch Hypothesen und Wahrscheinlichkeitsannahmen überspielt. Auf diese Art wird eine Belastbarkeit des Ergebnisses suggeriert, die einfach nicht gegeben ist. Aus diesem Grund verlangen Gerichte inzwischen vermehrt eine nachvollziehbare Begründung der in die Zielbaummethode eingehenden Faktoren und Parameter. Das findet in dieser Form auch Kleiber, der bei Einigen den Ruf eines „Wertermittlerpapstes“ genießt. Überraschender Weise hat nun Kleiber selbst ein „Berechnungsmodell“ vorgestellt, das stark an einen vereinfachten Zielbaum erinnert. Zuerst werden die Schadensbeseitungskosten ermittelt, dann werden eventuell zu erwartende Folgekosten geschätzt. Die Summe wird nun ins Verhältnis zu dem „normalen Marktwert“ gesetzt. Und abschließend wird die „objektspezifische Eintrittswahrscheinlichkeit eines Wiederauflebens des behobenen Schadens“ abgeschätzt und als Vomhundertsatz mit den zuvor ermittelten anteiligen Schadenswert multipliziert. Allerdings würde auch dieses Verfahren nur in den Fällen der ersten Kategorie anwendbar sein.
Nur – technische Minderwerte sind nicht vergleichbar mit merkantilen Minderwerten. Es stehen technisch begründbare Kosten einfach die Befindlichkeiten der potenziellen Interessenten gegenüber.
Nachdem nun alle Rechenmethoden zur Ermittlung des merkantilen Minderwertes als untauglich erkannt wurden, stellt sich die Frage, was man denn noch zur Abschätzung eines merkantilen Minderwertes unternehmen könnte.
Idealerweise hat der beauftragte SV im Vorfeld möglichst viele Immobilien(ver)käufe begleitet und ausgewertet. Dann hat er einen Erfahrungsschatz an Befindlichkeiten und Befürchtungen der Kaufinteressenten und er hat vielleicht eine Idee davon, welcher Nachlass aus Kaufinteressenten dann schließlich Käufer macht!
Verfügt er über so eine Datenbank nicht, dann kommt der alte Werbespruch der „Gelben Seiten“ zum Tragen: „Frag doch Jemanden, der sich damit auskennt!“ – Der BGH nennt das Verfahren „intersubjektive Expertenbefragungen“. Als SV fallen einem als „Experten“ natürlich zuerst die Kollegen ein. Aber die haben meist ein ähnliches Problem mit dem merkantilen Minderwert. Viel dichter sind da die Makler an der Zielgruppe der Kaufinteressenten dran. Nur kann passieren, dass diese mit dem Begriff „merkantiler Minderwert“ nichts anzufangen wissen. Dem entsprechend umsichtig muss dann die Anfrage formuliert werden. Allerdings sind bei jeder Befragung hohe Anforderungen an die Qualität der Unterlagen zu erfüllen. Neben einem Anschreiben, in dem neben präzisen Angaben zum Sachverhalt, die Zielsetzung der Befragung und ihre Auswertung erläutert werde, darüber hinaus ist die Vertraulichkeit zuzusichern. Für die eigentliche Befragung ist dann ein „strukturierter und qualitativ ausgereifter“ Fragebogen zu erstellen. Extrem wichtig ist dann die Präsentation des Ergebnisses. Der Kollege, der einem Gericht vortrug, die Befragung hätte Minderungen zwischen 5 und 30% ergeben, bewirkte, dass das Gericht einen merkantilen Minderwert negierte mit der Begründung, die Befragung hätte kein eindeutiges Ergebnis erbracht. Das Verfahren landete beim BGH, der das Urteil aufhob und dem Gericht aufgab, zu ermitteln, wo oberhalb von den angegebenen 5% der wahrscheinliche Minderwert liegen mag. Hier hätte eine Präsentation eines gewichteten Mittelwertes das Verfahren möglicherweise verkürzen können und auch die Nerven des Kollegen geschont. Wichtig ist auch die Angabe derer, die aufgrund des Sachverhaltes von einem Kauf absehen würden.
Aktuell betreibt das Ingenieurbüro Unglaube eine online-Umfrage:
Insgesamt werden 20 Schadensmöglichkeiten in 4 Kategorien in 7 Stufen (zwischen „keine Minderung“ und „trete von der Kaufabsicht zurück“) abgefragt.
Für eigene Fragebögen kann diese Arbeit gut als Inspiration dienen.
Der Nachteil dieses Umfrageverfahrens ist natürlich der enorme Arbeitsaufwand und die Abhängigkeit von der Hilfsbereitschaft der Angesprochenen. Der große Vorteil ist allerdings, dass man alle 4 Kategorien auf diese Art bearbeiten kann.
Ein weiteres Thema ist der Zeitfaktor. Relativ weit ist die Ansicht verbreitet, dass ein merkantiler Minderwert im Laufe der Jahre abnehmen würde. Hier wird auch von Vergessenheitsfaktor gesprochen. Angeblich soll der Minderwert innerhalb von 15 Jahren auf Null abgesunken sein. Es gibt sogar (technische) Sachverständige, die ernsthaft behaupten, während der Gewährleistungsfristen kann es gar keinen Minderwert geben, da ja Anspruch auf kostenlose Nachbesserung bestehe. Das zeigt aber nur, dass sie das Wesen des merkantilen Minderwertes in keinster Weise verstanden haben. Aber auch hier gilt es, den Einzelfall näher zu betrachten. Gerade das Argument des „Vergessenheitsfaktors“ verliert deutlich an Relevanz, spätestens seitdem die Regeln zur „Offenbarungspflicht“ verschärft wurden. Der Verkäufer muss grundsätzlich u.a. über Wasserschäden, Feuchtigkeit, Schimmel, Baujahr, mangelnde Isolierung, Schädlingsbefall und Wurzelgeflechte auf dem Grundstück und besondere Ereignisse in der Vergangenheit der Liegenschaft aufklären. Davor schützt auch ein „gekauft wie gesehen“ nicht. Der Verkäufer haftet nach der Gewährleistung für Mängel, die sich auf § 433 Absatz 1 Satz 2 des BGB bezieht. Dort steht: „Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.“ Früher gab es bei arglistig verschwiegenen Mängeln eine 30-jährige Verjährungsfrist, heute beträgt diese Frist drei Jahre ab dem Jahresende der Kenntniserlangung vom Mangel, höchstens aber zehn Jahre ab Abnahme.
Kleiber hat nun einen Fall des „ewigen Minderwerts“ entdeckt: In einer Wohnung wurde radioaktives Material gelagert. Nach dessen Entfernung wurde die Wohnung „dekontaminiert“ und freigemessen, aber ein potenzieller Käufer würde weiterhin abgeschreckt sein.
An „tickende Zeitbomben“ hat in der Literatur bisher wohl noch niemand gedacht. Dazu zwei Beispiele aus der Praxis:
1. Ein EFH, gebaut als Holzständerwerk, nicht unterkellert, EG + ausgebautes DG. Nach der Rückkehr aus einem Urlaub stellten die Eigentümer einen Muffigen Geruch fest. Eine erste Untersuchung erbrachte eine defekte Muffe in einem Heizungsrohr unter dem Estrich. Der Wasserverlust durch die Fehlstelle war so gering, dass er den Bewohnern über mehrere Jahre hinweg nicht auffiel. Der Mangel war eindeutig und von dem Ersteller der Anlage zu verantworten. Eine weitere Untersuchung ergab ein erschreckendes Bild. Auf der Bodenplatte musste sich ein großer „See“ gebildet haben. Sämtliche Innen- und Außenwände waren im unteren Bereich durchnässt. Sie mussten komplett erneuert werden:
- Wandbeläge komplett ab,
- Wandbeplankung im unteren Meter austauschen,
- Dämmung im unteren Wandbereich austauschen,
- Folien im unteren Bereich erneuern und fachgerecht anschließen
- Holzstiele in den unteren ca. 50 cm Abschneiden und durch Anlaschung ersetzen.
- Ursprünglich sollte der Estrich nur in einem etwa 1,00 m breiten Streifen aufgenommen werden um Arbeitsraum zum Wechsel der Schwellhölzer zu schaffen. Der verbleibende Estrich sollte durch eine Dämmebenentrocknung saniert werden. Eine Vergleichskalkulation ergab jedoch, dass es kostengünstiger und auch schneller war, den kompletten Fußbodenaufbau auszutauschen.
Nach dieser Sanierung könnte ein möglicher Kaufinteressent denkbarerweise folgende Bedenken geltend machen:
- Bei den gestoßenen Stielen könnte es zu späteren Setzungen kommen, weil sich die Holzquerschnitte durch Austrocknung verändern können.
- Die neuen Folien könnten eventuell nicht fachgerecht an die erhalten gebliebenen Folien angeschlossen sein und Feuchtigkeit könnte in die Wand eingedrungen sein.
- Die verbliebene Wanddämmung im oberen Wandbereich könnten abgerutscht sein, Wärmebrücken könnten sich gebildet haben als Keimzelle künftiger Schäden.
Es liegen also eindeutig Gründe vor, einen merkantilen Minderwert anzunehmen. Die Eigentümer erleiden also einen finanziellen Schaden. Solange man sich innerhalb der Gewährleistungsfrist des Erstellers befindet ist klar, dass dieser Schaden bei der Haftpflichtversicherung des Verantwortlichen geltend gemacht wird. Es greift das „Quotenvorrecht“ des Geschädigten. Die Eigentümer werden also schadlos gestellt.
Ganz anders sieht es nach Ablauf der Gewährleistungsfrist aus. Ein Regress ist nicht möglich. Es leistet nur die eigene Sachversicherung (hier: Wohngebäudeversicherung). Diese erstattet zwar die Sanierungskosten, nicht jedoch den merkantilen Minderwert. Die Eigentümer bleiben also auf diesem Teil des Schadens sitzen.
Nun könnte man ja argumentieren, solange kein Verkauf geplant sei, könne auch kein Verlust eintreten. Abgesehen davon, dass diese Argumentation im Kontrast zur gültigen Rechtsprechung steht, übersieht sie völlig, dass ein merkantiler Minderwert nicht nur den Marktwert verringert, sondern auch den Beleihungswert.
Die finanzierende Bank könnte die laufende Finanzierung überprüfen. Wenn nun die Finanzierung äußerst knapp „gestrickt“ war, kann passieren, dass die Bank die Darlehen entweder teilweise kündigt oder den Zinssatz erhöht, weil ja der Wert der dinglichen Absicherung unter Umständen nicht mehr zur Darlehenssumme passt.
2. Gleicher Schaden, gleiche Verhältnisse, nur diesmal ein Massivbau. Hier sieht die Sanierung so aus:
- Wandbeläge komplett ab,
- Putz, soweit schimmelbefallen, plus 50 cm Sicherheitsabstand entfernen,
- Wände mit Infrarotplatten heizen und so trocknen,
- Unterestrichdämmung trocknen (und desinfizieren),
- Wieder alle Oberflächen herstellen.
Potenzielle Käufer könnten Bedenken haben. Dass möglicherweise noch andere Muffen weiterhin unentdeckt undicht sind und der Schaden erst nach Jahren sichtbar werden würden. Nur Leser des Kompendiums „Schimmel in Innenräumen“ von Dr. rer. nat. Constanze Messal haben eine Idee davon, wie viele Mikroorganismen so unter einem Estrich leben, werden weitere Einwände gegen die Sanierungsmethode haben. (-> 978-3-8167-9313-7.pdf (irbnet.de))
Für den merkantilen Minderwert gilt der Sache nach, das im vorigen Beispiel gesagte, wobei die Höhe wahrscheinlich geringer ausfallen würde.
Zum Ende dieser Betrachtung nun die gute Nachricht für alle Sachverständige für „Versicherungswertermittlungen und Sachschadenbewertungen von Immobilien“: Sie haben nach aktuellem Recht nur mit Schäden der ersten Kategorie zu tun, weil diese Folgen von Mängeln sind, für die (mindestens) ein Verantwortlicher gefunden werden kann. Wenn dann die Gewährleistungsfrist noch nicht abgelaufen ist, dann kann dieser bzw. dessen Haftpflichtversicherung in Anspruch genommen werden.
In diesem Fall hat der Geschädigte das so genannte „Quotenvorrecht“. Es leitet sich aus §86, Abs. 1, VVG ab, wo es heißt: Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden. Die Brisanz dieser Worte erschließt sich dem Nichtjuristen nicht wirklich. Das Quotenvorrecht stellt einen der komplexesten Sachverhalte bei der Schadenregulierung dar. Da es den wenigsten Versicherungsnehmern bekannt ist, verlieren viele nach einem Schadensfall Geld, das ihnen zusteht. Was bedeutet „Quotenvorrecht“ genau und welchen Vorteil bringt es dem Versicherungsnehmer? Das Quotenvorrecht ist eine juristische Begriffsbildung, die beim Schadensersatz Bedeutung hat, wenn der Schaden des Geschädigten zunächst durch eine Gemeinschaft (z. B. eigene Rechtsschutzversicherung, eigene Vollkaskoversicherung, eigene Sachversicherung) getragen worden ist. Das Problem des Quotenvorrechts tritt nun auf, wenn der Ersatzanspruch gegen den Schädiger nicht ausreicht, um den beim Geschädigten verbliebenen Schaden und den übergegangenen Anspruch vollständig zu befriedigen. Dies ist typischerweise der Fall, wenn der Schadenersatzanspruch wegen Mithaftung des Geschädigten selbst (Selbstbeteiligung) oder wegen Überschreitens der Haftungshöchstgrenzen beschränkt ist. Der Versicherungsnehmer kann dann die nicht von der eigenen Sach- (Kasko-) Versicherung regulierten Schadenspositionen bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend machen. Und genau hier kommt wieder der merkantile Minderwert ins Spiel. Sachverständige, die im Auftrag des Geschädigten oder im Auftrag der Haftpflicht des in Regress genommenen Verantwortlichen tätig sind, müssen, um sich nicht selbst schadenersatzpflichtig zu machen, den möglicherweise in Frage kommenden merkantilen Minderwert berücksichtigen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen:
Ein merkantiler Minderwert kann nur da entstehen, wo es für den Verkauf eines Bauwerkes auch einen Markt gibt, auf dem sich der Minderwert realisieren kann. Bei Wohn- oder Bürogebäuden sowie Gewerbeimmobilien ist dies regelmäßig der Fall, während bei bestimmten Infrastrukturprojekten (Brücken, Tunnel, Straßen) im Einzelfall zu prüfen wäre, ob diese marktfähig sind.
Die Fälle, in denen ein merkantiler Minderwert entstehen kann, lassen sich in eine von vier Kategorien einordnen. Für Sachverständige für „Versicherungswertermittlungen und Sachschadenbewertungen von Immobilien“ ist eigentlich nur die erste Kategorie von Bedeutung, solange ein Verantwortlicher für den Schaden in Regress genommen werden kann.
Aktuell sieht die Rechtslage so aus, dass der Geschädigte dann auch Ansprüche auf Ausgleich des merkantilen Minderwerts stellen. Nach Ablauf der Gewährleistungsfristen bleibt er mit dem Verlust allein gelassen. Man könnte darin einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot sehen. Wer weiß schon, wann eine Gruppe unterbeschäftigter und übermotivierter Juristen sich dieser Aufgabenstellung annimmt?
Übrigens:
„Bergschäden“ oder auch „Bergbaufolgeschäden“ unterliegen einer eigenen rechtlichen Behandlung und werden hier deswegen nicht behandelt.
Rechtsvorschriften:
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
§ 250 Schadensersatz in Geld nach Fristsetzung
Der Gläubiger kann dem Ersatzpflichtigen zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, dass er die Herstellung nach dem Ablauf der Frist ablehne. Nach dem Ablauf der Frist kann der Gläubiger den Ersatz in Geld verlangen, wenn nicht die Herstellung rechtzeitig erfolgt; der Anspruch auf die Herstellung ist ausgeschlossen.
§ 251 Schadensersatz in Geld ohne Fristsetzung
(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.
(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.
§ 252 Entgangener Gewinn
Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
§ 253 Immaterieller Schaden
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
§ 254 Mitverschulden
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
§ 433 Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag
(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
VVG Versicherungsvertragsgesetz
§ 86 Übergang von Ersatzansprüchen
(1) 1Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. 2Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.
(2)
- Der Versicherungsnehmer hat seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken.
- Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann.
- Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.
(3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1 nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht.
Zivilprozessordnung
§ 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
§ 404 Sachverständigenauswahl
(1) Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch das Prozessgericht. Es kann sich auf die Ernennung eines einzigen Sachverständigen beschränken. An Stelle der zuerst ernannten Sachverständigen kann es andere ernennen.
(2) Vor der Ernennung können die Parteien zur Person des Sachverständigen gehört werden.
(3) Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es erfordern.
(4) Das Gericht kann die Parteien auffordern, Personen zu bezeichnen, die geeignet sind, als Sachverständige vernommen zu werden.
(5) Einigen sich die Parteien über bestimmte Personen als Sachverständige, so hat das Gericht dieser Einigung Folge zu geben; das Gericht kann jedoch die Wahl der Parteien auf eine bestimmte Anzahl beschränken.
§ 452 Beeidigung der Partei
(1) Reicht das Ergebnis der unbeeidigten Aussage einer Partei nicht aus, um das Gericht von der Wahrheit oder Unwahrheit der zu erweisenden Tatsache zu überzeugen, so kann es anordnen, dass die Partei ihre Aussage zu beeidigen habe. Waren beide Parteien vernommen, so kann die Beeidigung der Aussage über dieselben Tatsachen nur von einer Partei gefordert werden.
(2) Die Eidesnorm geht dahin, dass die Partei nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe.
(3) Der Gegner kann auf die Beeidigung verzichten.
(4) Die Beeidigung einer Partei, die wegen wissentlicher Verletzung der Eidespflicht rechtskräftig verurteilt ist, ist unzulässig.
Beispiele relevanter Entscheidungen (nicht umfassend):
- AG, 11.7.1914 - Rep. V. 67/14, RGZ 85, 252: Anspruch bejaht.
- BGH, 25.2.1953 - Il ZR 172/52, BGHZ 9, 98: Anspruch bejaht.
- BGH, 8.12.1977 - VII ZR 60/76, BauR 1979, 158: Anspruch bejaht.
- -LG München, 8.6.2004 - 13 U 5690/03, BauR 2004, 1806 (IBR 2004, 516: Vogel): Anspruch bejaht.
- OLG Hamm, 4.7.2005 - 17 U 94/04, BauR 2006, 113: Anspruch bejaht.
- KG Berlin, 27.4.2010 - 7 U 120/09, BeckRS 2013, 00861: Anspruch bejaht.
- OLG Hamm, 10.5.2010 - 17 U 92/09, NJW-RR 2010, 1392 (IBR 2010, 555: Ameisberger): Anspruch bejaht.
- OLG Stuttgart, 8.2.2011 - 12 U 74/10, NJW 2011, 457 (IBR 2011, 133: Nickl): Anspruch bejaht.
- -G Münster, 20.6.2012 — 8 0 80/10, www.justiz.nrw.de: Anspruch bejaht.
- LG Köln, 9.10.2012 - 27 0 520/11, www.justiz.nrw.de: Anspruch bejaht.
- BGH, 6.12.2012 - VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 (IBR 2013, 70: Vogel; jurisPR-BGHZivilR 2/2013, Anm. 1: Reinelt): Anspruch bejaht.
- OLG München, 17.12.2013-9 U 960/13 Bau, BauR 2014, 1018 (IBR 2014, 483 = IMR 2014, 344: Krause-Allenstein): Anspruch bejaht.
- OLG Jena, 19.12.2013 - 1 U 84/07, IBR 2015, 248 (Weyer): Anspruch verneint.
- KG Berlin, 4.4.2014 - 21 U 18/13, IBR 2017, 505 (Manteufeo: + BGH, 4.12.2014 — VII ZR 16/14, nicht veröffentlicht: Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde: Anspruch bejaht.
- OLG Köln, 16.6.2014 - 12 U 44/13, IMR 2014, 439 (Münch): Anspruch verneint.
- OLG Düsseldoff, 18.7.2014-9 U 100/13, NJW-RR 2015, 211: Anspruch verneint.
- OLG Oldenburg, 11.12.2014 -8 U 140/09, IBR 2015, 188 (Günther): Anspruch grundsätzlich bejaht.
- LG Potsdam, 11.3.2015 - 52 0 12/13, BeckRS 2015, 121428: Anspruch bejaht.
- OLG Düsseldorf, 23.4.2015-5 U 97/14, MDR 2015, 763: Anspruch verneint.
- OLG Brandenburg, 14.10.2015-4 U 6/12, NJW-RR 2016, 215: Anspruch bejaht.
- OLG München, 3.11.2015-9 U 2777/11, BauR 2016, 864: Anspruch bejaht.
- LG Hamburg, 3.2.2016 - 302 0 365/14, GuG 2017, 202 (IBR 2016, 1084: Karczewskl): Anspruch grundsätzlich bejaht.
- KG Berlin, 21.11.2016 — 201J 109/14, www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de: Anspruch grundsätzlich bejaht.
- OLG Brandenburg, 17.1.2017—6 U 40/15, www.ibr-online.de: Anspruch bejaht.
- OLG Brandenburg, 30.3.2017 - 12 U 71/16, NJW-RR 2017, 1489: Anspruch verneint.
Weiterführendes Schrifttum (nicht abschließend):
- Adam, B., Merkantiler Minderwert, GuG 2012, l;
- Althaus, E. 0., Umfasst die Enteignungsentschädigung den merkantilen Minderwert eines Grundstücks? NJW 1970, 793;
- Balloff, H., Besonderheiten der Wertermittlung für die Begründung schadensersatzrechtlicher Forderungen in Bergbaugebieten, GuG 1999, 44;
- Bartke, S./Schwarze, R., Marktorientierte Risikobewertung vornutzungsbelasteter Grundstücke, GuG 2009, 195;
- Biederbeck, M., Merkantiler Minderwert, Grundlagen und Wertermittlung, HLBS-Report 2013, 14;
- Bindhardt, W., Merkantiler Minderwert von Immobilien - Probleme, BauR 1982, 442;
- Bindhardt, W., Zum merkantilen Minderwert von Gebäuden, VersR 1985, 18;
- Brumme, R., Merkantiler Minderwert bei Baumängeln und Grundstücksmängeln, GuG 2015, 273;
- Dahmen, C., Zum merkantilen Minderwert bei Gebäuden, BauR 2012, 24;
- Dier, U., Der merkantile Minderwert im Baurecht, ZfBR 2015, 427;
- Fischer, C., The complex interactions of markets for endangered species products, Journal of Environmental Economics and Management 48, 926 ff;
- Pinke, D., Bergschäden an Gebäuden, GuG 2014, 78;
- Pinke, D., Bergschäden - Anmerkungen zur Bewertung und Regulierung, GuG 1999, 266;
- Grams, H., Merkantiler Minderwert der Immobilie, ZfBR 2014, 42;
- Hoffmann, D., Wertermittlung von Abbauland, GuG 2004, 156;
- Jens, 0./Smolobowski, G., Merkantiler Minderwert - Perspektiven eines fundierten Bewertungsansatzes, GuG 2019, 50;
- Kamphausen, P.-A., Der merkantile Minderwert in der Rechtspraxis, DS 1985, 280;
- Kamphausen, P.-A., Ermittlung von Minderwerten mangelhaft erstellter Wohnungen und Wohngebäude durch Sachverständige, BlGBW 1983;
- Karczewski, T., Kein merkantiler Minderwert bei vollständiger Schadensbeseitigung, IBR 2016, 1084;
- Kinzer, C.-M., Berechnung des merkantilen Minderwerts, GuG 2015, 283;
- Kleiber, W., Verkehrwertermittlung von Grundstücken, 7. Aufl. 2014, § 194 BauGB Rn. 75, § 8 ImmoWertV Rn. 418 ff., § 5 ImmoWertV Rn. 417;
- Kluge, A., Merkantiler Minderwert bei Schäden durch Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück, Bin GE 2017, 276;
- Kniffka, R. in Kniffka, R./Koeble, W., Kompendium des Baurechts• (2014) 6. Teil Rz 240;
- Korves, W., Der merkantile Minderwert beim Immobilienkauf, NJW 2017, 1985;
- Kreil, K.-H./Krell, A., Zeitabhängige Einflüsse bei der Ermittlung merkantiler Minderwerte, GuG 1998, 133;
- Laule, G., Zur Bestimmung der Summe durch mehrere Dritte nach billigem Ermessen, DB 1966, 769;
- Leibenstein, H., Theory of Consumers Demand, The Quarterly Journal of Economics Bd 64, 183 ff;
- Liebheit, U., Merkantiler Minderwert - auch nach Mängelbeseitigung? Aachener Bausachverständigentage 2015;
- Manteufel, Th., Baumängel wegen Planungsfehler: Wie wird der merkantile Minderwert ermittelt? IBR Immobilien- & Baurecht 2017;
- Mantscheff, J., Ansätze für eine Minderwertberechnung, BauR 1982, 435;
- Mollinga, A./Vorloeper-Heinz, D./Lenart, H., Wertminderung von Immobilien (2013);
- Oppitz, V., Zeitabhängige Einflüsse bei der Ermittlung merkantiler Minderwerte, GuG 1999, 170; Oswald, M./Zöller, M., Aachener Bausachverständigentage 2018;
- Roller, G., Wertermittlung sanierter Gebäude – technischer und merkantiler Minderwert, GuG 2002, 16;
- Schmidtbauer, W., Der merkantile Minderwert, Aachener Bausachverständigentage 2015;
- Schmidtbauer, W., (Hrsg.), Wertminderungen und Minderwert, OLZOG-Verlag, 111 / 125;
- Schürken, J., Bergschadensverzichte und ihre Auswirkungen auf Verkehrswerte, GuG 1997, 129;
- Schürken, J., Minderwert des Verkehrswerts von Grundstücken durch Bergschäden, GuG 1994, 324;
- Schürken, J., Technischer und merkantiler Minderwert bei Bergschäden, GuG 2003, 154;
- Selfrich, Zur steuerlichen Berücksichtigung eines merkantilen Minderwerts, BB 1990, 1748;
- Sprengnetter (Hrsg.), Immobilienbewertung Lehrbuch und Kommentar
-
- bei Datschen-Grundstücken 10/34/3.2/5
- bei Mobilfunkanlagen 9/33/6/14
- bei überschwemmungsgefährdeten Grundstücken 9/17/4/3; 9/17/6/1 ff
- Tewis, N., Merkantiler Minderwert bei Hausschwamm-Befall, GuG 2000, 33;
- Thees, E., Der merkantile Minderwert, Aachener Bausachverständigentage 2015;
- Ulrich, J., Der „merkantile Minderwert" bei deutschen Immobilien: Standard oder Axiom, gar Chimäre, bloß ein Irrtum? Aachener Bausachverständigentage 2018, 142 ff;
- Viua, Die Rolle des Sachverständigen bei der Ermittlung des merkantilen Minderwerts, DS 2014, 2015, 25;
- Vogel, R., Der merkantile Minderwert am Beispiel eines Altbau-Mietshauses, GuG 1997, 151;
- Zeisberger, H./Woyte, B.!Schmidt, F./Mennicken, Ch., Der merkantile Minderwert in der Praxis: Berechnung nach der Marktrelevanz- und Faktorenmethode (MFM) (2012);
- Zöller, M., Merkantiler Minderwert immer nach Mängelbeseitigung? IBR 2013, l;
- Zöller, M., Merkantiler Minderwert? IBR 2016, 263;
- Zöller, M., Zielbaummethode und merkantiler Minderwert, in Schmidtbauer, W., Wertminderung und Minderwert (2016) 125.
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Norbert Reimann (Sonntag, 01 Mai 2022 08:18)
Lieber Norbert Faßhauer,
sehr schöner Überblick über das Thema der sich mir leichter erschließen würde, wenn die Erörterung etwas eindeutiger strukturiert, z.B. durch Überschriften, wäre.
Das Thema Sachschäden kommt etwas zu kurz, hier wären auch Beispiele hilfreich.
Auf alle Fälle ein guter Beitrag unserer Diskurse, wäre noch zu hoffen, dass viele Anregungen und Diskussionen folgen.
Norbert Reimann
Norbert Faßhauer (Sonntag, 01 Mai 2022 17:00)
Erst einmal Dankeschön, lieber Norbert Reimann,
ich gebe zu, dass ich mich mit eventuellen Zwischentiteln schwer getan habe. Ich hatte damit begonnen, hatte dann aber das Problem, dass sie nie an der richtigen Stelle gesessen hätten.
Aber ich bin da durchaus für Vorschläge offen.
Ich weiß schon, dass Sachschäden Dein "Hauptthema" sind. In meiner Erfahrung hatte ich es hauptsächlich mit Haftpflichtschäden zu tun und da ist die Sichtweise halt anders.
Aber schau Dir die Schäden der Kategorien 1 und 2 an, hier sind durchaus Sachversicherungen "unterwegs" - aber eigentlich sagt es der einfache Satz: "Nur wenn ein Verursacher in Regress genommen werden kann, ist eine Erstattung des merkantilen Minderwerts nach aktuellem Rechtsverständnis möglich."
Norbert Faßhauer