· 

Datenschutz-Interessenkonflikte-Auskunftsrechte.

Sanierer und Sachverständige in Schadenbearbeitung

Vertrauen setzt Transparenz voraus.

Versicherungsnehmer sollten ihre Rechte kennen und aktiv einfordern – insbesondere, wenn Sanierer oder Sachverständige im Auftrag der Versicherung tätig werden.

Ein Auskunftsersuchen ist dabei kein Gefallen, sondern ein gesetzlich verankertes Recht.

Prolog

Versteckte Datenflüsse und Interessenkonflikte

Eine Eigentümerin meldet einen Wasserschaden. Die Versicherung agiert zurückhaltend und schaltet Partei-Sachverständige ein – die Ergebnisse der Gutachten werden jedoch nicht mitgeteilt und bleiben unter Versicherungsverschluss, also geheim. Aus Misstrauen gegenüber der Kommunikation beauftragt die Versicherungsnehmerin einen eigenen Partei-Sachverständigen. Dieser wiederum kontaktiert ein Sanierungsunternehmen, ein Big Five der Sanierer. Das Angebot geht auch nach mehrmaliger Nachfrage nicht an seine Auftraggeberin, vielmehr und ausschließlich an die Versicherung und die Nachfrage ergibt: Man warte auf den Auftrag der Versicherung.

Damit stehen nicht nur Loyalität und Transparenz infrage, sondern auch datenschutzrechtliche Grundprinzipien.

Siehe auch: „Interessenkonflikte Rahmenverträge ./. BGB/VOB-Verträge“

Ein Beispiel aus der analogen Ära der Schadendokumentation:

Damals wurden Fotos händisch in Dokumentationsmappen eingeklebt. In meinem Büro war ein leises Raunen zu hören, als eine Aufnahme eines ausgebrannten Schlafzimmers eingeklebt wurde. Inmitten der verkohlten Überreste war der Metallrahmen eines Bettes zu erkennen, und daran, fast zu übersehen, ein paar Metallhandschellen. Der Fotograf hatte dieses Detail beim Aufnehmen der Szene nicht bemerkt. Erst beim späteren Durchsehen der Bilder offenbarte sich die ganze Vielschichtigkeit des Moments – und ließ Raum für Fragen, die über das Offensichtliche hinausgingen.

Freigaben nichts Neues

Bei der Risikobewertung großer Unternehmen – auch im Auftrag Dritter – ist es selbstverständlich, dass Fotoaufnahmen durch Sachverständige, etwa von Immobilien, vor ihrer Verwendung in Gutachten einer Freigabe bedürfen. Auf den Bildern könnten sensible Bereiche zu sehen sein, beispielsweise Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, die noch der Geheimhaltung unterliegen. Die Kontrolle über die Veröffentlichung solcher Inhalte gehört zum verantwortungsvollen Umgang mit unternehmensinternen Informationen.

1. Themenbeschreibung

Kommt es zu einem versicherten Sachschaden, treten häufig Sanierungsfirmen und Sachverständige auf den Plan. Doch wer arbeitet eigentlich für wen? Und was passiert mit den personenbezogenen Daten der Versicherungsnehmer? Diese Kolumne beleuchtet die datenschutzrechtlichen Aspekte, Interessenkonflikte und Auskunftsrechte im Schadensfall – basierend auf praktischen Beispielen und aktuellen Urteilen. Für die rechtliche Einordnung individueller Schadensfälle empfiehlt sich die Konsultation eines spezialisierten Rechtsbeistandes.

2. Datenschutzrechtliche Grundlagen (DSGVO)

Sobald personenbezogene Daten verarbeitet werden – etwa Fotos, Adressen oder Gutachten – greifen die Regelungen der DSGVO. Versicherungsnehmer haben das Recht zu erfahren,

  • welche Daten verarbeitet werden,
  • von wem diese erstellt wurden,
  • zu welchem Zweck,
  • und auf welcher Rechtsgrundlage.

3. Rolle der Sanierungsfirmen

Erstellt eine Sanierungsfirma bei einem Sachschaden ein Angebot, wird dieses in vielen Fällen direkt an die Versicherung übermittelt. Dabei stellen sich wichtige Fragen:

  • Wer verarbeitet welche Daten?
  • Wie transparent ist dieser Vorgang für den Versicherungsnehmer?
  • Welche Rechte haben Betroffene nach der DSGVO?

Kommuniziert die Sanierungsfirma direkt mit der Versicherung – etwa durch die Übermittlung eines Angebots – ohne dass der Versicherungsnehmer eingebunden oder informiert wird, entstehen datenschutzrechtlich relevante Fragen:

Transparenzpflicht nach DSGVO

Die DSGVO schreibt vor, dass Betroffene klar und vollständig informiert werden müssen, sobald personenbezogene Daten erhoben oder weitergegeben werden (Art. 13 DSGVO).

Wenn der Versicherungsnehmer nicht weiß, dass Daten weitergegeben wurden, fehlt diese Transparenz.

Recht auf Auskunft (Art. 15 DSGVO)

Jede Person hat das Recht, zu erfahren:

  • welche individuellen Daten über sie verarbeitet werden,
  • von wem,
  • zu welchem Zweck,
  • auf welcher Rechtsgrundlage,
  • und an wen sie weitergegeben wurden.

Dieses Recht erlaubt dem Versicherungsnehmer, klarzustellen, ob seine Daten rechtmäßig verwendet wurden – auch wenn kein Schaden entstanden ist.

Kontrolle über die eigene Datenweitergabe

Oft sind Angebote sehr detailliert – inklusive personenbezogener Informationen wie Adresse, Schadensbilder, Bewertungen.

Der Versicherungsnehmer hat ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wie sensibel mit seinen Angaben umgegangen wurde und ob die Weitergabe z. B. durch einen Rahmenvertrag gedeckt ist.

Prävention möglicher Datenschutzverletzungen

Werden die Daten ohne Einwilligung oder Rechtsgrundlage weitergeleitet, kann der Versicherungsnehmer:

  • die Sanierungsfirma oder Versicherung auffordern, Prozesse anzupassen,
  • sich bei der Datenschutzaufsichtsbehörde beschweren,
  • oder weitere datenschutzrechtliche Schritte einleiten.

4. Rolle der Sachverständigen

Verantwortlichkeit

Sachverständige, die im Auftrag der Versicherung tätig sind, verarbeiten personenbezogene Daten nicht eigenständig, sondern im Rahmen eines Auftragsverhältnisses.

Die Versicherung ist dann Verantwortlicher im Sinne der DSGVO, der Sachverständige ein Auftragsverarbeiter (Art. 28 DSGVO).

Es muss ein Vertrag zur Auftragsverarbeitung bestehen, der die Datenweitergabe und -nutzung regelt.

Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung

Die Verarbeitung erfolgt meist auf Basis von:

  • Vertragserfüllung (Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO), wenn der Versicherungsnehmer einen Anspruch geltend macht;
  • Wahrung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO), z. B. zur Prüfung eines Schadens.

Wichtig: Auch bei berechtigtem Interesse muss eine Interessenabwägung erfolgen – und der Versicherungsnehmer darf nicht unangemessen benachteiligt werden.

Informationspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer

Die Versicherung muss den Versicherungsnehmer darüber informieren, dass ein Sachverständiger beauftragt wurde und welche Daten verarbeitet werden (Art. 13 DSGVO).

Der Sachverständige selbst muss keine separate Information geben, wenn er im Auftrag handelt – aber die Versicherung muss sicherstellen, dass die Informationspflicht erfüllt wird.

Grenzen der Datenweitergabe

Sachverständige dürfen nur die Daten verarbeiten, die für ihren Auftrag erforderlich sind.

Eine Weitergabe an Dritte (z. B. Prüfdienstleister, Restwertbörsen) ist nur mit Einwilligung oder bei klarer Rechtsgrundlage zulässig.

5. Auskunftsrecht des Versicherungsnehmers

Der Versicherungsnehmer kann auch gegenüber dem Sachverständigen Auskunft verlangen – insbesondere, wenn Zweifel bestehen, ob die Daten korrekt oder rechtmäßig verarbeitet wurden.

In einem Fall entschied das OLG Dresden, dass ein Sachverständiger zur Auskunft verpflichtet war, wenn er personenbezogene Daten im Rahmen seines Gutachtens verarbeitet hatte.

Fazit: Sachverständige im Lager der Versicherung

Auch wenn Sachverständige „im Lager der Versicherung“ stehen, gelten die gleichen datenschutzrechtlichen Maßstäbe wie bei Sanierungsfirmen. Der Versicherungsnehmer hat ein Recht darauf, zu erfahren:

  • Wer seine Daten verarbeitet,
  • Welche Daten und Informationen verarbeitet werden,
  • Warum und auf welcher Grundlage.

Was darf verlangt werden?

  • Einsichtnahme in das vollständige Gutachten
  • Kopie des Gutachtens (nicht nur eine Zusammenfassung)
  • Information über den Sachverständigen, der es erstellt hat
  • Anspruch auf Einsicht in das Sachverständigengutachten

Versicherungsnehmer haben grundsätzlich ein Recht auf Einsicht in Gutachten, die von der Versicherung zur Prüfung eines Schadensfalls in Auftrag gegeben wurden. Dies wurde mehrfach durch Gerichte bestätigt – etwa durch das OLG Frankfurt und das OLG Karlsruhe.

Warum besteht ein Einsichtsrecht?

Das Gutachten betrifft personenbezogene Daten und die eigene Schadenregulierung.

Es ist Teil der vertraglichen Leistungsprüfung, die den Versicherungsnehmer direkt betrifft.

Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und dem Kooperationsgebot im Versicherungsverhältnis darf die Versicherung Informationen nicht einseitig zurückhalten.

Wichtige Urteile

  • OLG Karlsruhe (Az. 12 W 32/05): Versicherungsnehmer dürfen Einblick in das Gutachten verlangen – auch wenn die Versicherung es selbst beauftragt und bezahlt hat.
  • OLG Frankfurt (Az. 12 W 38/20): Das Einsichtsrecht ergibt sich aus dem Kooperationsgebot – selbst wenn die Versicherung das Gutachten nur einem Arzt übermittelt.
  • LG Hanau (Az. 4 O 1171/21): Die Versicherung muss das Gutachten auch dann offenlegen, wenn sie die Leistung bereits abgelehnt hat.
  • OLG Dresden (Urteil vom 16.02.2021 – Az. 4 U 1909/20): Sachverständige sind zur Auskunft verpflichtet, wenn sie personenbezogene Daten verarbeiten.

6. Auskunftsrechte und Mustertexte

Versicherungsnehmer können Auskunft verlangen – sowohl bei der Versicherung als auch bei Sanierern und Sachverständigen.

 

Mustertext: Auskunftsersuchen an Sanierer oder Sachverständige

Betreff: Auskunft über Verarbeitung meiner personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 DSGVO

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

gemäß Artikel 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bitte ich um Auskunft darüber, ob und in welchem Umfang Sie personenbezogene Daten über mich verarbeitet und ggf. an Dritte weitergegeben haben.

Insbesondere bitte ich um Information darüber:

Welche personenbezogenen Daten von mir bei Ihnen gespeichert sind;

Zu welchen Zwecken diese Daten verarbeitet werden;

An welche Empfänger oder Kategorien von Empfängern die Daten übermittelt wurden – insbesondere ob und wann Daten an meine Versicherung übermittelt wurden;

Auf welcher rechtlichen Grundlage eine etwaige Übermittlung erfolgt ist;

Ob ein Rahmenvertrag mit meiner Versicherung besteht und ob darin eine Datenweitergabe geregelt ist;

Wie lange die Daten gespeichert werden bzw. nach welchen Kriterien die Speicherdauer bestimmt wird.

Bitte senden Sie mir die Informationen innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von einem Monat zu.

Mit freundlichen Grüßen

 

Mustertext: Auskunftsersuchen an die Versicherung

Betreff: Anfrage zur Verarbeitung meiner personenbezogenen Daten durch externe Dienstleister gemäß Art. 15 DSGVO

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe erfahren, dass eine von mir kontaktierte Sanierungsfirma Ihnen ein Angebot für Sanierungsarbeiten an meinem Wohnobjekt übermittelt hat – möglicherweise im Rahmen eines bestehenden Rahmenvertrags zwischen Ihnen und der Firma.

Da mir dieses Angebot bislang nicht direkt übermittelt wurde und mir keine Einwilligung zur direkten Datenweitergabe bekannt ist, bitte ich Sie um Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO über die Verarbeitung meiner personenbezogenen Daten.

Bitte beantworten Sie insbesondere folgende Fragen:

Welche personenbezogenen Daten wurden im Zusammenhang mit dem Schadenereignis von externen Dienstleistern an Sie übermittelt?

Von welcher Sanierungsfirma stammen die Daten und in welchem Umfang?

Zu welchem Zweck verarbeiten Sie diese Daten?

Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgte die Datenübermittlung – insbesondere ob eine Einwilligung vorliegt oder ob dies vertraglich geregelt ist?

Besteht ein Rahmenvertrag mit der genannten Firma und wie ist darin die Datenweitergabe geregelt?

Ich bitte um Ihre Rückmeldung innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von einem Monat. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen

7. Rechtsprechung und Urteile im Überblick

Gerichte bestätigen: Versicherungsnehmer haben ein Recht auf vollständige und unverzügliche Einsicht in Gutachten, wenn diese Gegenstand der Leistungsprüfung sind.

Stützende Urteile:

  • OLG Karlsruhe – Az. 12 W 32/05
  • OLG Frankfurt – Az. 12 W 38/20
  • LG Hanau – Az. 4 O 1171/21
  • OLG Dresden – Urteil vom 16.02.2021 – Az. 4 U 1909/20
  • Alle Urteile sind auf dejure.org abrufbar.

8. Fazit

Vertrauen setzt Transparenz voraus.

Versicherungsnehmer sollten ihre Rechte kennen und aktiv einfordern – insbesondere, wenn Sanierer oder Sachverständige im Auftrag der Versicherung tätig werden.

Ein Auskunftsersuchen ist dabei kein Gefallen, sondern ein gesetzlich verankertes Recht.


Kommentar schreiben

Kommentare: 0