· 

Eigenleistungswert - aktualisiert

  • Neuwert
  • Zeitwert
  • Gemeiner Wert
  • Eigenleistungswert

Eigenleistungswert

Sachverständige im Sachschadenbereich sind normalerweise in der Lage, bei Schäden die drei eventuell zu regulierende Schadenhöhen, nämlich

  • Neuwert
  • Zeitwert und
  • Gemeiner Wert

zu ermitteln.

Insbesondere Sachverständigen, die schwerpunktmäßig im Wohngebäudebereich für kleinere bis mittlere Schadenhöhen verantwortlich tätig sind, wird -wenn auch indirekt- ein neuer Regulierungswert abverlangt, der

  • Eigenleistungswert.

Diesen Wert wird man im Versicherungsvertragsgesetz bzw. in den Bedingungen nicht finden, mit der Thematik hat sich allerdings der Versicherungs-Ombudsmann wie der Bundesgerichtshof schon beschäftigt mit klaren Ansagen, aber bisher ohne Auswirkungen auf die Regulierungspraktiken.

 

Tante Emmas Käsekuchen, selbst gebacken

Die Regulierungspraktiken lassen sich am besten am praktischen Beispiel veranschaulichen, nicht am Beispiel einer komplexen Immobilie, sondern am nicht ganz so praxisnahen Beispiel eines genauso wichtigen Käsekuchens, den Tante Emma hervorragen backen kann, nach altem Familienrezept. Sie liefert auch jede Woche einen Kuchen ins Kaffeekränzchen der Gemeinde. Der Neffe von Tante Emma, im Versicherungsgeschäft tätig, empfehlt eine Sachversicherung, die auch als Neuwertversicherung abgeschlossen wird.

 

Nun ist der Ernstfall eingetreten, der Käsekuchen erlitt einen Totalschaden. Der Neuwert oder Wiederbeschaffungswert wird reguliert, sagt die Versicherung, einfach drei Angebote einreichen von Kuchenbäckern, die mittlere Summe wird übernommen, der Bäcker kann dann beauftragt werden zu dieser Summe X.

 

Allerdings meint Tante Emma: kein Bäcker könne ihren Käsekuchen so gut backen wie sie, sie will ihn daher selbst backen, da sie im Kaffeekränzchen auch einen Ruf zu verteidigen habe.

 

Das ist überhaupt kein Problem, sagt die Versicherung.

 

In dem Fall gilt der Eigenleistungswert (das ist die Summe X * 0,Y), nicht der Neuwert oder Wiederbeschaffungswert; Tante Emma könne den Kuchen backen, müsse aber 30 % des Kuchens an die Versicherung ausliefern.

 

Das Problem mit den Eigenleistungen, kurz umschrieben

Versicherungsnehmer, die den regulierenden Vertretern der Versicherung eine Sanierung oder Teilsanierung in Eigenleistung anbieten, bekommen meist Hinweise wie

  • Lohnkosten für 8,50 bis 15,00 € - je nach Leistung
  • Materialkosten und auch die Mehrwertsteuer daraus auf Nachweis

oder

  • 70 % eines freigegeben Angebotes, Mehrwertsteuer auf Nachweis.

Früher wurde das Bereicherungsverbot als Argument benutzt, heute hört man oft, dass Versicherer so die ungesetzliche Schwarzarbeit in Deutschland verhindern wollen, was der Fall sein würde, wenn die Schadensumme voll ausbezahlt werden würde.

Das Argument

  • Schwarzarbeit mit Schwarzarbeitspreisen zu bekämpfen, birgt etwas homöopathisches, nämlich Gleiches mit Gleichem zu bekämpfen
  • wirken doch die von den Versicherungen bevorzugten Eigenleistungsquoten häufig schon als Messlatte für Schwarzarbeit und wirken quasi wie ein Tarif.

 

Die Vertreter der Versicherung bei der Schadenregulierung sind je nach Schadengröße und Versicherungsunternehmen

  1. Mitarbeiter des Innendienstes der Versicherungsunternehmen (Schadeninnendienst)
  2. Mitarbeit der Außendienstes (Regulierer)
  3. Versicherungsvertreter mit Regulierungsvollmachten (nicht mehr Versicherungsmakler)
  4. Externe Regulierer bei versicherungsferner Regulierung
  5. Sachverständige mit Regulierungsvollmachten

 

Versicherungsferne Regulierung

Für den Versicherungsnehmer erschwerend ist die von vielen Versicherungsunternehmen vom Unternehmen ausgelagerte Schadenregulierung.

Wenn man die Wahl hätte, zwischen einem Regulierer des Versicherungsunternehmens und einem von der Versicherung beauftragten Regulierungsunternehmen zu wählen, fährt man im Allgemeinen mit der versicherungsinternen Regulierung besser. Zu der Aussage gibt es eine Vielzahl von Hinweisen und Erfahrungen, das Thema wird in einem extra Blogbeitrag demnächst hier angesprochen.

Um die Problematik einem in der Sache unerfahrenen Lesers zu erläutern eines von vielen Beispielen: ein Regulierer eines namhaften bundesweit agierenden Regulierungsbüros bewertet den Inhaltsschaden eines großen Einfamilienhaus mit 3.500,00 €; Einspruch bei der Bearbeiterseite einen Tag später ist schon nicht mehr möglich, weil der Schaden bereits an das Unternehmen weitergeleitet ist. Das Unternehmen benennt erst unter Androhung des Anrufens des Amtsgerichtes auf Benennung eines Sachverständigen in einem vom VN geforderten Sachverständigenverfahren seine Sachverständige; das Verfahren endet einvernehmlich mit 84.000,00 €.

Wir haben es erlebt, dass selbst erfahrene Sachverständige an der Ignoranz einiger Unternehmen verzweifeln. Eine Reduzierung der Eigenleistungen ist dort meist Standard.

 

Regulierungsgewinne der Versicherungen

Belastbares Zahlenmaterial den Anteil Eigenleistungen betreffend, ist den Statistischen Taschenbüchern der Versicherungswirtschaft nicht zu entnehmen.

Grobe Schätzungen über alle Versicherungsbereiche sind mit einigen unbekannten Annahmen zu berechnen.

Reduziert auf die verbundene Wohngebäudeversicherung im Jahr 2018

  • versichern 110 Versicherungsunternehmen Wohngebäude
  • mit 19,5 Mio  Verträgen
  • erzielen 7.669 Mio € Beiträge
  • Anzahl der Schäden: 2,605 Mio
  • erbringen 5.969 Mio € Leistungen
  • mit einer Schadenquote von 78,6 %

Dies ergibt eine durchschnittliche Schadengröße von 2.291,36 €

 

Wenn man bei 10 % der Schäden mit Eigenleistungen rechnet, wären dies 596,9 Mio € als 70%, 100 % wären dann 852,71 Mio;

 

der Regulierungsgewinn würde demnach bei 255,81 Mio € im Jahr

 

liegen.

 

Diese Modellrechnung wird bei vorliegen von belastbarem Material korrigiert.

 

BGH-Urteil zu Eigenleistungen im Jahr 2011

Im Oktober 2003 wurde das versicherte Gebäude durch einen Brand zerstört. Der von der beklagten Versicherung beauftragte Sachverständige ermittelte einen Neuwertschaden  wie einen Zeitwertschaden.

Die beklagte Versicherung ersetzte der Klägerin lediglich den Zeitwert, nicht die Neuwertspitze.

Die Klägerin baute das Haus wieder auf und erbrachte nach ihrem Vorbringen wesentliche Bauleistungen selbst sowie mit Hilfe von Angehörigen und Nachbarn.

Für diese Eigenleistung lagen keine Belege vor.
Nach dem Urteil des BGH hat der Versicherer keinen Anspruch auf einen Kostennachweis, wenn festgestellt werden kann, dass das abgebrannte Gebäude wiederhergestellt wurde und das neue Gebäude „nach Art und Zweckbestimmung“ dem abgebrannten Haus entspricht. Das heißt, ein abgebranntes Einfamilienhaus wird durch ein neues Einfamilienhaus ersetzt und nicht etwa durch eine Lagerhalle.

Versicherer dürfen keinen Vorteil daraus ziehen, wenn die Versicherungsnehmer beim Wiederaufbau selbst Hand anlegen, das geht aus dem BGH-Urteil hervor.
Der BGH schätzt die Eigenleistung des Versicherungsnehmers ebenso als Leistung an, wie die Arbeit eines Unternehmens.

 

Versicherungs-Ombudsmann im Jahr 2007

Dem Ombudsmann für Versicherungen hatte man vier Jahre vorher, im Jahr 2006 einen ähnlichen Sachverhalt vorgelegt.
Der Leitsatz aus der Entscheidung:
Sind die tatsächlichen Ausgaben geringer – etwa wegen Eigenleistungen – als die vom Sachverständigen angesetzten Kosten, so ist für die Neuwertdifferenz der vom Sachverständigen festgesetzte Betrag festzulegen.

Sachverständige als fünfte Kolonne?

Versicherungsvertreter und Schadenregulierer sind Partei und vertreten die Interessen des Versicherungskonzerns, davon muss auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ausgehen.

Verhältnismäßig neu ist der Einsatz von Bausachverständigen, die mit besonderen Schulungen der Versicherungen Regulierungsvollmachten erhalten und neben der Gutachtenbearbeitung des Schadens auch gleich in Personalunion die Regulierung derselben vornehmen.

 

Versicherungsschäden vs. versicherte Schäden

Zuerst noch einige Worte zu den Sachverständigen. Es gibt mittlerweile viele Sachverständige, die sich Sachverständige für Versicherungsschäden nennen, ja, mittlerweile auch Zertifizierungsgesellschaften, die dieses Fachgebiet zertifizieren.

Schäden an Versicherung sind sicherlich sehr komplex zu bewerten, gemeint sind wahrscheinlich eher Sachverständige für versicherte Schäden.

 

SV für Versicherungssummen

Weiter gibt es auch Sachverständige, verbandsgeprüft, für die Ermittlung von Versicherungssummen; hier meinen die prüfende Verbände wie die Sachverständigen sicherlich, dass sie Versicherungswerte ermitteln.

 

Sachverständigenausbildungen, die mit dem Hinweis für die Ausbildung werben, dass der Teilnehmer sich die Brille des Versicherers aufsetzen müsse, geht in eine ungute Richtung.

Wenn was anderes gemeint ist, muss man es passender beschreiben.

 

Diese unscharfen Bezeichnungen tun der Sache der Sachverständigen keinen Gefallen.

 

SV mit Regulierungsvollmachten: Regulierer?

Ein Sachverständiger mit Regulierungsvollmacht muss sich dem Lager der Versicherung zurechnen lassen, da helfen keine anders lautende Erklärungen und Hinweise auf Unabhängigkeit, Zertifizierung, öffentliche Bestellungen etc.; die Regulierung übertönt die noch so gut gemeinte Sachverständigentätigkeit, aus der Sicht der Partei VN ist der sachverständige Regulierer Partei der Versicherung.

Es ist sogar fraglich, ob ein Sachverständiger mit Regulierungsvollmacht zulässig ist für ein Sachverständigenverfahren, je nach juristischer Auslegung des BGH-Urteils zu unabhängigen Sachverständigen im Sachverständigenverfahren.

Die ideale berufliche Ausrichtung eines Sachverständigen sollte so unabhängig sein, dass er jederzeit auch als Obmann in einem Sachverständigenverfahren fungieren könnte, was auch beinhaltet, gelegentlich auch Versicherungsnehmer bei Schäden zu beraten.

 

Um das Eingangsthema Eigenleistungswerte aufzunehmen: was hat das für Konsequenzen in der Sachverständigentätigkeit?

  • Wenn der Sachverständige das BGH-Urteil und die Bewertung des Ombudsmannes nicht kennt und so in seiner Arbeit und Berechnungen Eigenleistungen der Versicherungsnehmer schmälert, muss er sich fragen lassen, ob er seiner Fortbildungspflicht nachkommt, so jung sind die Entscheidungen nicht. Es bleibt also ein Makel an der Sachverständigentätigkeit.
  • Wenn er besseren Wissens die Regulierungspraktiken der Versicherungen übernimmt, erstellt er Gefälligkeitsgutachten, den Makelvorwurf muss man sich dann gefallen lassen.

Sachverständige äußern teilweise, keine Aufträge aus der Versicherungswirtschaft mehr zu bekommen, wenn sie sich der geltenden Regulierungspraxis nicht unterordnen; das lässt den Verdacht der fünften Kolonne aufkommen.

 

Fazit, kleines

Versicherer dürfen keinen Vorteil daraus ziehen, wenn die Versicherungsnehmer beim Wiederaufbau selbst Hand anlegen, das geht aus dem BGH-Urteil hervor.

Der Versicherungs-Ombudsmann sieht das genauso.

Beide beziehen sich auf vorher erstellte Sachverständigengutachten mit Ermittlungen zum Neuwert und zum Zeitwert.

In einer Regulierung ohne Gutachten fühlen sich die Versicherer nicht angehalten, diese Rechtsmeinung auch umzusetzen und reduzieren Eigenleistungen im dreistelligen Millionenbereich jährlich.

In eine etwas undurchsichtige Situation aus der Sicht der Versicherungsnehmer setzen sich Sachverständige, die diese Regulierungspraktiken übernehmen; verschärfend noch, wenn sie sich mit Regulierungsvollmachten der Versicherungsunternehmen tätig werden.

In der Praxis stellt sich der Versicherungsnehmer besser, der ein bestimmungsgemäßes Sachverständigenverfahren einfordert, in dem der Schaden zum Neuwert und zum Zeitwert festgestellt und später auch reguliert werden muss als der Versicherungsnehmer, der in der Regulierung die Anfrage stellt, wie denn Eigenleistungen abgerechnet werden.

Im Regulierungsprozess wird oft nachträglich das vereinbarte Bedingungswerk zum Nachteil des Versicherungsnehmers modifiziert.

 

Norbert Reimann, Steinbeis-Beratungszentrum Werte.Risiken.Schäden.

Nachtrag

23. Februar 2021

Ein kleines Rechenbeispiel zeigt die Problematik auf

Vortrag Profino-Kongress März 2021

Links

Kommentare: 9
  • #9

    Norbert Reimann (Sonntag, 17 Januar 2021 15:51)

    Aus dem Impressum unseres SchadenBlog:
    Maxima
    Die Fakten sind heilig, die Kommentare sind frei
    C.P. Scott, 1921

    Kommentare in den Beiträgen erwünscht!

    Dabei bleibt es, die geneigten Leser können selbst entscheiden, wie sich die Faktenlage darstellt, wir werden Meinungen der Leser nicht mehr kommentieren.

  • #8

    D. Reinig (Sonntag, 17 Januar 2021 15:15)

    Lieber Herr Reimann. Ich hatte dazu bereits ausgeführt.
    Gegen eine feste Meinung helfen eben die schönsten Fakten nicht. Also weiterhin viel Erfolg und mehr Objektivität.

  • #7

    Norbert Reimann (Sonntag, 17 Januar 2021 15:01)

    Sehr geehrter Herr D. Reinig, es wäre wünschenswert für die Leser, diese Behauptungen mit Nachweisen zu belegen: was steht in den Vorschriften, welche Urteile gibt es.
    Bei der von mir geschilderten Regulierungspraxis wird halt der informierte VN besser gestellt, als der VN, der sich einseitig beraten lässt.

  • #6

    D. Reinig (Sonntag, 17 Januar 2021 14:43)

    Ergänzung: Wenn man jedoch schon als s. g. Sachverständiger mit einer vorgefassten Meinung, darauf deutet es hin, auf etwas zu geht, kann es in der Tat beim Versicherungsnehmer zu erheblicher Irritationen führen, die keine Erfahrung mit der Schadenabwicklung haben.

  • #5

    D. Reinig (Sonntag, 17 Januar 2021 14:38)

    Ich verstehe ihren Ansatz. Jedoch hat es weder etwas mit für Verwässerungsversuchen zu tun noch mit vermeintlichen Regulierungspraktiken.

    Dem Ganzen liegt u. a. Versicherungsrecht zu Grunde, was bereits mehrfach ausgeurteilt wurde. Der Rest es bereits bekannt.

    Sich als Sachverständiger hinzustellen und zu behaupten es wäre gängige Regulierungspraxis ist schlicht eine einseitige Darstellung der Sichtweise. Nicht mehr und nicht weniger.

    Hier muss sich jeder an die eigene Nase fassen und nicht immer auf andere deuten. Mehr Objektivität würde der ein oder anderen Darstellung sicherlich auch gut tun.

  • #4

    Norbert Reimann (Freitag, 15 Januar 2021 11:32)

    Verwässerungsversuche ändern nichts an dem Aufsatz, das Verhalten ist unseriös. Auch die Versuche, die Leistungen nur mit Rechnungen abzurechnen: wo steht das im VVG oder in den Bedingungen? die Regulierungspraxis in Deutschland ist weitestgehend losgelöst von den vereinbarte Bedingungen. Natürlich braucht der VN seit 1988 für die Auszahlung der MWSt eine Rechnung, aber nicht für die erbrachte Leistung insgesamt. Den Versicherungsnehmern wird auch nicht klar gemacht, dass sie einem Vergleich zustimmen, warum sollten sie das, wenn die Versicherer anständig regulieren? Dass Sachverständiger kein geschützter Begriff ist hat welche Bedeutung? Kommen Sachverständige im VVG vor? oder nicht, wie etwa Regulierer?
    Unser Wunsch: keine speziellen, nicht vereinbarten Regulierungspraktiken sondern Einhaltung der Bedingungen, dies ist gerade für VN wichtig, die keine Erfahrungen mit der Schadenabwicklung haben.

  • #3

    D. Reinig (Freitag, 15 Januar 2021 11:05)

    Das Thema, wie hier im Aufsatz leider sehr reduziert dargestellt, ist nicht so trivial und auch deutlich tiefgreifender zu betrachten. Das liegt sicher auch daran, dass der s. g. Sachverständige (kein geschützte Begriff) regelmäßig die komplexen Zusammenhänge des VVG sowie den Bedingungen nicht unterscheidet. Folglich kommt es immer wieder zu Fehlinterpretationen. Weiterhin gilt es zu unterscheiden zwischen dem reinen Sachsubstanzschaden und der Kostenversicherung.

    Die Entschädigungspflicht des Sachversicherers wird ausgelöst durch die Beschädigung oder Zerstörung einer versicherten Sache, die - sofern keine Allgefahrendeckung vereinbart
    ist - durch eine versicherte Gefahr verursacht sein muss. Die eingetretenen Sachsubstanzschäden können grundsätzlich fiktiv abgerechnet werden; es gilt das Prinzip der abstrakten Schadensberechnung.

    Soweit die gesicherte Wiederherstellung nicht Voraussetzung für den Anfall einer Neuwertentschädigung bzw. Neuwertspitze ist, steht es dem VN somit grundsätzlich frei, ob und in welcher Form er die vertraglich zugesagte Entschädigung zur Schadensbeseitigung
    einsetzt. Der VN hat also grundsätzlich Dispositionsfreiheit; ein Kostennachweis ist nicht bzw. höchstens im Hinblick auf geltend gemachte Umsatzsteuerbeträge erforderlich.

    Sachversicherungsbedingungen (etwa Wohngebäude-, Hausrat- sowie gewerbliche Immobilien- und lnhaltsversicherungsbedingungen) enthalten darüber hinaus regelmäßig Vertragsbestimmungen über den Ersatz bestimmter Kosten (etwa Schadensminderungs-, Aufräum-. Bewegungs- und Schutzkosten). Nach traditionellem Verständnis soll dadurch der VN über den Sachsubstanzschaden hinaus für verschiedene Arten von Vermögensfolgeschäden mitversichert sein (sogenannte Kostenversicherung).

    In der gleitenden Neuwertversicherung erwirbt der Versicherungsnehmer im übrigen den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt
    (Neuwertanteil, Neuwertspitze) nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach
    Eintritt des Versicherungsfalles sicherstellt, dass er die Entschädigung verwenden wird,
    um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle
    wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen. Der Nachweis erfolgt in der Regel nach Vorlage entsprechender Rechnungen, aus denen die Leistung nachvollziehbar hervorgeht.

    Im Urteil des BGH vom 19. 6. 2013 ist das Thema unmissverständlich geregelt. Daraus er gibt der tatsächlich Anspruch. Daher stellt sich erst gar nicht Frage nach einer s. g. 70 % Regelung. Es handelt es sich dabei nicht um eine „Kürzung“ sondern um einen Vergleich in dem die Leistungen durch VN in Eigenleistung abgewickelt werden sollen. Es besteht immer noch die Möglichkeit auf vorzulegende Rechnungen abzuschließen.

  • #2

    E. Daffner (Dienstag, 01 September 2020 16:35)

    Dass bei Gebäudeschäden Versicherer zunächst auf Kostenangebote nur 70% des Netto-Angebotsbetrags leisten, hängt mit der sog. Neuwertspitze zusammen. Der Versicherer reguliert zunächst nur den Zeitwertschaden (ob richtig oder falsch sei dahingestellt). Die Neuwertspitze kann gefordert werden, sobald die Wiederherstellung sichergestellt ist. In der Praxis wären das wohl Fotos von dem behobenen Schaden. Dann hat der Versicherungsnehmer Anspruch auf die Neuwertspitze. Die Mehrwertsteuer wird der Versicherer nur gegen Vorlage einer Rechnung bezahlen. Allerdings wurde die entsprechende Regelung bereits als intransparent bezeichnet.

  • #1

    D. Schneider (Dienstag, 21 April 2020 08:00)

    Vielen Dank, schöner Aufsatz.
    Bei dem Thema Eigenleistung oder auch umgesetzte Leistung geht es m.E. auch um sachgerechte Ausführung. Immer wieder wird von Versicherungen angemerkt, dass z.B. eine Desinfektion nicht gezahlt werden muss, weil der VN sie nicht durchführte. Meine Auffassung ist aber, dass der VN so gestellt werden muss, dass er die Sanierung in jeder Phase fachgerecht hätte durchführen können. Und das gilt auch für die Eigenleistung. Wenn er, wie bei vielen Versicherern üblich, nur 70% erhält, wird er in die Eigenleistung getrieben. Die Beurteilung des Schadens nach mittlerer Marktpreislage impliziert aber, dass dem VN ein Spielraum eingeräumt wird, sich verschiedener Firmen mit abweichenden Angeboten bedienen zu können. Den Spielraum hat er bei 70% nicht.

    Wenn also ein VN am Ende der Sanierung feststellt, dass seine Eigenleistung mangelhaft ist, weil er es nicht besser konnte, oder einiges nicht wusste, sollte man immer in der Lage sein zu sagen - hättest du eben eine Fachfirma eingeschaltet, das Geld dazu hattest du!